mHIT – semiquantitative Bestimmung des vestibulookulären Reflexes

Der Kopfimpuls-Test erlaubt die klinische Untersuchung des vestibulo-okulären Reflexes (VOR). Eine ein- oder beidseitige, vestibuläre Dysfunktion lässt sich über eine Beeinträchtigung der gegenläufigen Augenbewegung bei ruckartig passiven Kopfbewegungen erkennen. Allerdings ist die Zuverlässigkeit der Erkennung eingeschränkt, die Übereinstimmung auch erfahrener Untersucher (Interrater-Reliabilität) in der Beurteilung der Befunde ist unzureichend.

Der Video-Kopfimpulstest (VHIT) ist eine inzwischen etablierte Methode zur Vermessung des VOR. Die Messung des „Gain“, d.h. des Verhältnisses der Geschwindigkeiten (Grad pro Sekunde) von gemessener Pupillenbewegung zur gleichzeitigen raschen Kopfbewegung, erlaubt eine objektive Bestimmung des Ausmaßes einer vestibulären Störung. Allerdings sind die Messsysteme teuer und daher nur für spezialisierte Zentren mit häufigem Gebrauch rentabel.

Mit der hier vorgestellten App mHIT für Apple iPhones lässt sich eine preiswerte, semiquantative Bestimmung des VOR durchführen. Die App wurde in der eigenen Praxis inzwischen erprobt und hat sich als hilfreich in der Erkennung vestibulärer Störungen erwiesen. Allerdings liegt bisher keine Validierung der Ergebnisse im Vergleich zum Goldstandard des VHIT vor.

Durchführung der Messung:

Das iPhone wird auf einem Stativ auf Kopfhöhe vor dem sitzenden Probanden platziert. Mit mHIT werden dann hochfrequente Videoaufnahmen (240 Bilder pro Sekunde!) des Kopfes angefertigt, während der Untersucher ruckartige, passive Kopfbewegungen des Probanden ausführt und der Proband einen farbigen Punkt in der Nähe des Kameraobjektives fixiert. An der Nasenwurzel des Probanden wird ebenfalls ein farbiger Klebepunkt befestigt. In den Videoaufnahmen wird danach Bild für Bild die Position des Klebepunktes und die Position beider Pupillen bestimmt. Die gegenläufigen Bewegungen von Kopf und Pupillen können somit erfasst und grafisch vergleichend dargestellt werden.

Voraussetzung für eine ausreichend genaue Abgrenzung der Pupillen ist eine schattenfreie Beleuchtung, die mit Hilfe eines eigens konstruierten Lichtrahmens erreicht wird. Dieser muss eine geeignete Größe haben, um Reflexionen des Lichts in der Pupille zu vermeiden.

Einschränkungen:

Einige Einschränkungen muss der Untersucher jedoch bei der Beurteilung der von mHIT bereit gestellten Kopf-Auge-Bewegungskurven berücksichtigen:

Durch die stationäre Kamera kommt es bei den raschen Kopfbewegungen z.T. zu einer verwischten Darstellung von Klebepunkt und Pupillen auf den Videoaufnahmen. Durch hierfür entwickelte, eigene Algorithmen wurde die Zentrumsermittlung dieser Bildregionen optimiert. Die Darstellung der Bewegungskurven ist dennoch v.a. am Punkt der höchsten Kopfgeschwindigkeit weniger genau.

Um eine ausreichend große Darstellung der Augenregion und damit der Auflösung der Videobilder zu erreichen, muss die Kamera in einem Abstand von etwa 50cm vom Kopf des Probanden platziert werden. Hierdurch kommt es Kopfwinkel-abhängig zu einer unterschiedlichen Pupillenbewegung auf beiden Seiten. Dies kann teilweise dadurch ausgeglichen werden, dass die Bewegung beider Pupillen in die Auswertung eingeht. Durch die differenzielle Berechnung der Positionsänderung beider Pupillen von Bild zu Bild und deren gemeinsame Auswertung lassen sich auch Ungenauigkeiten der einzelnen Positionsbestimmung (s.u.) verringern.

Durch die jeweils nur geringe Anzahl von Pixeln in den kleinen Bildregionen („Blobs“), welche sowohl den farbigen Messpunkt als auch die Pupillen repräsentieren, kommt es – bei von Bild zu Bild nur geringer Positionsänderung der Blobs – zu Ungenauigkeiten in der sequenziellen Positionsbestimmung. Dies führt zu einem deutlichen Rauschen der originalen Messkurven. Die Anwendung eines Tiefpassfilters ist daher erforderlich, um eine vergleichende visuelle Beurteilung des Kurvenverlaufs zu ermöglichen.
Die zur Erkennung eines vestibulären Defizits jedoch wesentliche Darstellung von Refixationssakkaden, die ebenfalls im höheren Frequenzspektrum stattfinden, erfolgt dann allerdings nur mit reduzierter Amplitude.
Die erforderliche Kurvenglättung schränkt v.a. die Erkennung / Abgrenzung früher Refixationssakkaden ein, die noch vor Abschluss der Kopfbewegung stattfinden.

Eine zuverlässige und mit den Referenzwerten des VHIT vergleichbare, quantitative Bestimmung des Gain zu definierten, frühen Zeitpunkten der Kopfbewegung wird ebenfalls stark erschwert.

Ein semiquantativer Vergleich der übereinander gelegten Bewegungskurven von Kopf und Pupillen erlaubt es dennoch, sehr viel zuverlässiger als bei der klinischen Bobachtung Divergenzen der Kurven und auftretende Sakkaden zu erkennen.

Zudem stehen noch die hochfrequenten Videoaufnahmen zur Verfügung, die eine zuverlässigere visuell-klinische Beurteilung der Augenbewegung in „Zeitlupe“ erlauben.

Befund Beispiele:

In den unten abgebildeten mHIT-Originalbefunden ist die Kopfbewegung als blaue Kurve, die gegenläufige Augenbewegung als orangefarbene Kurve dargestellt. Die Peaks nach oben entsprechen der Kopfbewegung nach links, die Peaks nach unten der Kopfbewegung nach rechts.
Der Normalbefund zeigt einen nahezu kongruenten Verlauf der beiden Bewegungskurven.
Der pathologische Befund zeigt eine Abweichung der orangefarbenen Augenbewegungskurve. Frühe (angedeuteter Doppelgipfel des Peaks) und späte Refixationssakkaden lassen sich bei Kopfbewegung nach links erkennen.

mHIT Normalbefund
mHIT – pathologischer Befund

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